Tino Hahn’s review published on Letterboxd:
So stelle ich es mir vor, wenn bei isländischen Millionären während ihrer Wikinger-LARP irgendwas im Met-Labor schiefläuft. Denn das größte Problem von The Northman liegt darin, dass er trotz all seiner offenkundigen Lust zur Rekonstruktion keinerlei Einblicke in eine fremde Zeit erlaubt, sondern einfach eine Larger-than-Life-Version dieser Zeit mit bestens bekannten Schauspielern vollstopft.
Die über weite Strecken erschreckend sterile Ästhetik macht den aufgetragenen Schmutz nie als sichtbare Begleiterscheinung eines Lebens voller Entbehrungen glaubhaft - und weil nie auch nur ansatzweise irgendwas auf dem Spiel steht, schlägt der erzwungene Ernst immer mehr ins Erhaben-Lächerliche um, während wir einer überlangen Antiheldenreise zuschauen, auf der unsere Hauptfigur vom selbsternannten Ehrenmann immer mehr zum Hampelmann wird, gefangen im eigenen Gestrüpp aus Loyalität, Glauben und Wahnsinn.
Oft ist es spannend und interessant, die Vision eines Regisseurs auf der grossen Leinwand scheitern zu sehen. Manchmal ist es aber auch einfach nur frustrierend. So wie hier. Mit großem Budget kommt nicht nur große Verantwortung, sondern auch große Versuchung und diesen Versuchungen gibt Eggers nur zu gerne nach. Mehrere Longtakes sollen imponieren und in die Welt reinziehen, besitzen aber kaum Impact und wirken eher wie sorgsam einstudierte und abgespulte Choreografien, während Komparsen am Rand rumstehen und Bewegungen vollführen wie das Publikum bei Forza Horizon.
Um seine Visionen von Charakteren am Rande des Wahnsinns in historischen Settings umzusetzen, braucht Eggers keine 60-90 Millionen Dollar, sondern wieder die Beschränkung der Mittel, durch die sich der wahre Meister zeigt - denn je mehr Eggers hier das Bild öffnet, desto kleiner und irrelevanter fühlt sich der Film an, während die kleinen Momente mit wahrer Größe zu spärlich gesät sind und alle psychologischen Ansätze zur alten chinesischen Weisheit "Wer auf Rache aus ist, der sollte zwei Gräber graben" zusammenschmelzen.