Tino Hahn’s review published on Letterboxd:
Unfassbar lange muss man hier einer Truppe überambitionierter Rookies im Trainingslager bei Trockenübungen zugucken, bis sich ihr Trainer selbst einwechselt und den Jungspunden mal zeigt, warum die alte Garde niemals aussterben darf – denn Krieg ist das letzte große Abenteuer für ganze Kerle, die zwar vor jeder Verantwortung davon laufen, aber immer ganz vorne mit dabei sind, wenn es ohne Rücksicht oder Rückgrat darum geht, irgendwelche Macho-Scheiße zu machen.
Auf der großen Leinwand dürfen 1,70m große 60-Jährige ihre Midlife-Crisis noch verarbeiten wie richtige Männer – und dementsprechend gut kommt der Film natürlich auch bei dem Publikum an, für die Teil 1 elementarer Bestandteil der eigenen Mannwerdung war, die aber genau wie Maverick auch eigentlich immer Kind bleiben wollten.
Dieses Peter-Pan-Gefühl transportiert Top Gun 2 perfekt in all seiner Herrlichkeit und Erbärmlichkeit. Über 10 G erzielen, wow! Flugzeugtrümmer über bewohntem Gebiet verteilen, wow! Richtig geil schnell mit der sofort völlig willenlos verfallenen Frau ohne Helm auf dem Motorrad fahren, wow! Mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert werden und dabei eindrucksvoll beweisen, dass man nichts aus den Fehlern der eigenen Vergangenheit bewiesen hat, wow! Einfach alles wow hier - und maximal unaufregend, weil es um absolut nichts geht außer um die Ego-Politur der Hauptfigur.
Kann man sich gar nicht vorstellen, dass bei Fast & Furious über 90 Minuten lang auf dem ADAC-Trainingsgelände rumgefahren wird, bevor irgendjemand raus auf die Straße darf – und wenn Top Gun dann endlich mal den Afterburner zündet, sorgt noch ein denkbar schwacher dramaturgischer Aufbau dafür, dass auch noch der letzte Funken Spannung verglimmt. Dank ein paar Money-Shots im letzten Drittel aber immerhin genügend Material dabei, damit Maverick nicht endgültig zum Dogfight gegen die Langeweile wird. Und man kann es dem Drehbuch nicht mal verübeln, dass es allen Ernstes dachte, dass das Überleben der Beteiligten interessanter sein soll als das erfolgreiche Absolvieren der eigentlichen Mission.
Aber die Enttäuschung bleibt darüber, dass sich einer der letzten großen Actionfilme aus Amerika damit begnügt, durch die Nostalgie-Brille zu gucken und krude Ansichten über Militarismus und Kriegsführung abzufeuern, anstatt den Blick Richtung Horizont zu werfen und neugierig darauf zu sein, was man da noch so entdecken könnte.