Flo Lieb’s review published on Letterboxd:
Riesige Plakatwände können die Aufmerksamkeit und das Interesse auf einen Film lenken, aber auch die Verweigerung einer Jugendfreigabe seitens der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) kann ein Werk eines Regisseurs ins Bewusstsein rücken. So kam im Oktober Killer Joe, der jüngste Film von William Friedkin (Der Exorzist), nur als SPIO/JK-Veröffentlichung in den Verleih. Ausschlaggebend dürfte hier wohl die Zweckentfremdung eines frittierten Hühnchenschlegels gewesen sein, ab 18 Jahren wollte die FSK die schwarze Komödie jedenfalls nicht unter das deutsche Volk gebracht wissen.
Wie so oft ist das Tohuwabohu auch im Falle von Friedkins Film halb so wild. Schließlich ist Killer Joe kein Schocker oder Reißer, sondern unterm Strich ein gewöhnlicher Krimi-Thriller mit einigen schwarzhumorigen Szenen. Erzählt wird die Geschichte des Tunichtguts Chris, der aufgrund von Schuldenzahlungen mit seinem Vater Ansel konspiriert, um die verhasste Mutter unter die Erde zu bringen. Denn die hat eine Lebensversicherung in Höhe von 50.000 Dollar. Für die schmutzige Tat heuern sie den korrupten Kommissar Joe Cooper an, nur können sie ihn nicht im Voraus bezahlen. Kurzerhand nimmt er Chris' kleine Schwester Dottie als Faustpfand, und die Ereignisse in Killer Joe nehmen ihren Lauf.
Das Endergebnis lässt sich in etwa so beschreiben, als würden die Coens heutzutage selbst ein Remake ihres Debütfilms Blood Simple drehen. Seinen Humor bezieht Friedkins Film, der wie schon sein Vorgänger Bug auf einem Drehbuch von Tracy Letts basiert, dabei zuvorderst aus der Interaktion zwischen Chris und seiner Familie. Diese werden nicht von ungefähr als etwas zurückgebliebener White Trash inszeniert, der sich in eine Achterbahn begibt, ohne wirklich zu bedenken, worauf er sich einlässt. So ist speziell Chris im Laufe des Films hin und hergerissen, ob er seine Mutter wirklich ermorden lassen und derweil Dottie in den Händen von Matthew McConaugheys subtil-maliziösem Gesetzeshüter wissen will.
Und obschon er das Geschehen zu einem Großteil lenkt und unter Kontrolle zu haben scheint, ist auch Killer Joe nicht gerade der Schlaueste. Zumindest kristallisiert sich erst im Schlussakt heraus, wer weitestgehend die Strippen in dieser Geschichte gezogen hat, in der Frauen eher als Objekt gesehen werden, denn als Menschen. So wird Dottie bereitwillig von Vater und Bruder als temporäre Sexsklavin verliehen, während gleichzeitig der Tod der Mutter und Ex-Frau als Mittel zum Zweck gesehen wird. Während für Chris immerhin seine eigene Gesundheit auf dem Spiel steht, scheint Ansel allein für eine Handvoll Bares bereit zu sein, das Leben von zwei Familienmitgliedern mehr oder weniger in die Binsen gehen zu lassen.
Die Planlosigkeit der Figuren, die die Handlung vorantreibt und für die unterschwelligen Lacher sorgt, ist es, die Killer Joe so "coenesk" erscheinen lässt. So ist selbst die von der FSK als bedenklich empfundene Szene weniger schockierend als vielmehr lächerlich, da sie weitaus mehr in die Länge gezogen wird als ihr gut tut. Immerhin wurde jedoch dem Film auf diese Weise eine Portion zusätzliche Aufmerksamkeit zuteil, die dann doch dafür sorgt, dass aus diesem gewöhnlichen Krimi-Thriller ein nicht ganz so gewöhnlicher Film wird.