Paranoyer’s review published on Letterboxd:
Ich gebe es zu: ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu dem Wolfgang M. Schmitt Jr., wie er mir im Internet gegenübertritt. Auf der einen Seite oft interessante Ansätze der Filmrezeption, auf der anderen mitunter so kolossal einseitige Betrachtungen, die Kon- und Subtexte, die der Film anbietet, schlicht ignorieren, nur damit sie zur eigenen Theorie passen. Manchmal schaut eben auch Schmitt nur, aber er sieht nicht. Das Mitmischen bei "Rocket Beans TV" ist wohl ebenso zu kritisieren, aber sei es drum. Auch der Anti-Kapitalist freut sich ja über mögliche Werbeverträge.
Diese etwas über einstündige, handwerklich doch recht unsaubere Dokumentation (Wackelkamera! Warum nur?!) interessiert sich aber auch nicht wirklich für den Menschen Schmitt oder wie sein Habitus im Kontext seines Werdegangs zu interpretieren wäre. Natürlich verwehrt er sich auch gegen so etwas, der Kritiker ist ja kein Mensch, sondern Geist, der sich mit einem Körper herumquälen muss.
Umso erstaunlicher, dass es Momente in dem Film gibt, die tief blicken lassen: Wenn Schmitt ins Straucheln kommt, als er quasi zugibt, Kunstbetrachtung und somit Kunstgeschmack entstehen aus einer immer subjektiven Sicht (etwas, dass er dann an anderer Stelle wieder revidieren möchte) oder wenn eine Aussage zur Psychologierung fällt, die man auch interpretieren könnte.
Ansonten lässt der Film Schmitt vor allem reden. Manchmal ist etwas von Gewinn dabei, mal sind es hübsch ausformulierte Allgemeinplätze. Dazwischen besucht er das wunderbare Bielefelder Kino "Lichtwerk" oder bekommt mit Samira El Ouassil eine Sparringspartnerin zur Seite gestellt, die die undakbare Aufgabe hat, immer zu allem Ja und Amen zu sagen. Nicht, dass der im Grunde seines Herzens doch recht faule Film noch so etwas wie einen wirklichen Diskurs ablichten würde.
Vielleicht liegt auch hier der Hase im Pfeffer: Der Film wirkt, als habe er auf Schmitt gewartet, als dieser einen Vortrag an der Uni Bielefeld hält, um dann mit etwas ausgeliehenden Equipment etwas Material abzulichten. Der Film wagt nichts, er bewegt sich nicht aus Bielefeld heraus, alles wirkt seltsam unter Kontrolle, seinem Protagonisten in Steifheit in nichts nachstehend. Alles andere hätte wohl zu viel Aufwand bedeutet. Ich persönlich hätte zum Beispiel gern ein Interview mit Schmitts Eltern gesehen, um Fragen zu klären: Wie finden Sie es, dass ihr Sohn im Keller YouTube-Videos dreht? Bügelt er seine Hemden selber? Und warum nennt man so einen jungen Menschen bloß Wolfgang?
Zwischen leichter Arroganz gegenüber Menschen im Allgemeinen, Bielefeld im Besonderen und einigen diskussionswürdigen Monologen ist dies vor allem ein seltsamer Film - aus dem Internet geboren und wohl nur dort in Gänze verständlich.