Janina’s review published on Letterboxd:
In Photocopier geht es darum, wie in Indonesien unter dem Deckmantel von Moral und Anstand die Aufklärung von Missbrauchsfällen behindert wird. Aber natürlich lassen sich auch leicht Parallelen zu anderen Ländern ziehen.
Die Informatikstudentin Sur wird bei einer Party nach wenigen Drinks bewusstlos. Am nächsten Morgen erinnert sie sich an nichts, aber offenbar hat sie in betrunkenem Zustand "unangemessene" Selfies gepostet. Sie verliert deshalb ihr Stipendium und wird von ihrem Vater verstoßen. Von vielen Seiten wird ihr Verhalten kritisiert, aber sie beginnt trotzdem damit, selber nachzuforschen, was in der Nacht genau geschehen ist.
Ich kenne mich mit der indonesischen Kultur zwar nicht gut aus, aber Religion hat einen hohen Stellenwert. Sie schränkt den Alltag auf den ersten Blick nicht zu sehr ein, denn die Uni wirkt modern und die Party locker. Aber es gibt auf der anderen Seite die alten Männer, die das Sagen haben, und jede noch so kleine Verfehlung im Auge behalten. Hätte sie sich doch anders gekleidet... und keinen Alkohol getrunken... und wäre pünktlich nach Hause gekommen... Die Anschuldigungen an das Opfer sind nur schwer zu ertragen und machen wütend, weil dadurch ihre Erfahrungen kleingeredet werden. Dabei bewegt sich Photocopier die meiste Zeit in einem realistisch wirkenden Rahmen. Nur gegen Ende hat er mir ein bisschen zu dick aufgetragen. Eine große Stärke des Films ist für mich, dass sowohl Opfer als auch Täter nicht bloß den gängigen Klischees entsprechen.
Leider wurde nach der Veröffentlichung von Photocopier, der in Indonesien mit Preisen ausgezeichnet wurde, ausgerechnet einer der Drehbuchautoren des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Für einen Film, der sich so deutlich für die Opfer solcher Verbrechen stark macht, ist das natürlich besonders tragisch. Die Person wurde aus den Credits getilgt und ich hoffe, dass der Fall vor Gericht geklärt wird. Ich tue mir wegen der klaren Positionierung des Teams allerdings schwer damit, den Film dafür mit einer schlechten Bewertung abzustrafen. Selbst mit meinem Vorwissen hatte ich nicht den Eindruck, dass der Umgang mit dem sensiblen Thema problematisch ist, sondern fand ihn sehr gelungen.